Hei 😀 Mein Name ist Lukas und ich bin 30 Jahre alt. Ich lebe in Graz und bin aufgrund einer neurologischen Erberkrankung zunehmend taubblind. Trotz dieser äußerst ungünstigen Behinderung, möchte ich so viel wie möglich von der Welt sehen. Ich verständige mich mit anderen Menschen über das Tastalphabet "Lormen", über SMS oder Social Media. Persönliche Assistenz ist ein wesentlicher Begleiter meines Lebens, welche mich auch auf Reisen unterstützt. Viel Spaß beim Lesen!🙌🏻
Tag 1
Unser Flug von Wien nach Helsinki startet 30 Minuten verspätet. Der Pilot entschuldigt sich über den Lautsprecher. Wir fliegen mit Finnair, einer komfortablen Fluggesellschaft aus Finnland. Trotz Verspätung kommen wir, nach knapp über 2 Stunden Flugzeit, fast pünktlich, ein bisschen nach 15:00 finnischer Zeit, in Helsinki an (UTC+2). Schnell wird uns klar, dass wir unsere Winterjacken gleich einmal anziehen sollten, denn schon nach den ersten paar Schritten hinaus aus dem Flughafengebäude, weht uns ein eisiger Wind ins Gesicht. Es hat knapp 2° plus. Durch den Wind aber gefühlte -5°. Wir finden rasch ein passendes Taxi. Der großgewachsene Fahrer schnappt sich unsere Koffer und bittet uns auf der Rückbank Platz zu nehmen. Die Fahrt zum Hotel ins Zentrum verläuft äußerst angenehm und ruhig. Knappe 25 Minuten später kommen wir auch schon an. Es hat uns 90 € gekostet.
Unser zu Hause in den kommenden drei Tagen heißt Marski by Scandic, ein sehr großes vier Sterne Hotel in idealer Lage. Schon bei der Anmeldung merken wir, das Personal ist sehr freundlich und hilfsbereit. Die Frau an der Rezeption fragt meine Assistentin wie man WELCOME auf meine Handfläche lormt. Das Hotelzimmer in dem wir wohnen werden ist sehr groß, bestehend aus einem Schlafbereich mit zwei Einzelbetten, einen großen Fernsehapparat, der an der Wand hängt, einem Badezimmer mit Dusche, einem kurzen Gang, in dem sich die Minibar befindet und anschließend das Wohnzimmer mit Sitzcouch und Schreibtisch. Die Sauna ist im Keller. Männer und Frauen haben jeweils einen eigenen Bereich. Das finde ich nicht gut, weil ich mit weiblicher, persönlicher Assistenz unterwegs bin und da nicht so gerne, alleine in den Menschenmengen sitze.
Wir packen schnell unsere Koffer aus und ziehen uns schon wieder warm an, um ein bisschen die Gegend um das Hotel zu erkunden und nach einem passenden Restaurant fürs Abendessen zu suchen. Es ist äußerst schwierig ohne Reservierung, an einem Freitagabend, einen freien Tisch zu bekommen. Wir entscheiden uns für Pauli´s Pizza Grill, weil dort ein Tisch frei war. Zwei Burger mit Pommes kosten um die 50 €. Das Leitungswasser, eines der saubersten auf der ganzen Welt, ist gratis und schmeckt hervorragend.
Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg zum Senatsplatz. Nach kurzer Suche haben wir ihn auch schon gefunden. Es ist ein sehr großer Platz und lange Stufen führen hinauf zum Gebäude das majestätisch in den Himmel ragt.
Die Treppe hinauf ist nicht gerade barrierefrei, aber für uns gibt es an der Seite ein Geländer zum Festhalten. Oben angekommen haben wir einen wunderbaren Ausblick über den ganzen Platz und sogar noch weiter. Am Fuße der langen Treppe hinauf zum Senatsgebäude befindet sich eine Lichterkette, um den Weg zu den Stufen zu kennzeichnen. Die Lichter sind in dem Boden eingebaut. Ich finde das super, vor allem für die vielen Menschen, die nicht so gut sehen. Nach einem weiterem kurzen Rundgang in der Gegend, machen wir uns wieder auf den Weg ins Hotel. Es war ein langer Reisetag und wir sind richtig müde und natürlich gespannt, was morgen passieren wird.
Tag 2
Um acht Uhr wache ich auf und bin schon neugierig auf das Frühstück. Duschen, Anziehen und dann geht es auch schon los. Mit unserem Zimmerschlüssel, einer Smart Card, muss man den Lift aktivieren. Es ist bereits voller Betrieb und es gibt nur wenige Sitzmöglichkeiten, dafür reichlich Auswahl an Essen und Getränken. Ich nehme einen Caffè Latte und Blaubeermüsli mit Haferflocken, was ausgezeichnet schmeckt. Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zu Stockmann Helsinki, welches mit 50 tausend Quadratmetern Verkaufsfläche, das größte Warenkaufhaus Finnlands ist. Ich wollte mir eigentlich eine Wintermütze kaufen. Geworden ist es dann eine Hose und ein Pullover😀. Der Verkäufer begrüßt uns mit einem freundlichen Hei Hei. Das Hei steht in Finnland für Hallo. Die Menschen hier wirken überaus glücklich. Steckt einen das an?
Mein Vater bat mich, ihm etwas typisch Finnisches mitzubringen. Ich besorge ihm einen Mumin, eine Art Troll, aus den Geschichten von Tove Jansson. Danach machen wir uns auf den Weg zum Sky Wheel Helsinki. Hierbei handelt es sich um ein Riesenrad, welches uns, in 40 Meter Höhe, einen 360 Grad Rundblick über Helsinki, beschert. Wir sehen aus der Höhe den Senatsplatz und auch den, ganzjährig geöffneten, Allas Sea Pool. Ein beheiztes Außenschwimmbecken, mit Süß- und Salzwasser, direkt neben dem Hafen. Trotz Außentemperatur um den Gefrierpunkt schwimmen, die aus der Höhe sehr klein wirkenden Menschen, im Pool.
Foto: Ausblick vom Sky Wheel Helsinki, 28.10.2023
Wieder mit festem Boden unter den Füßen, machen wir uns auf den Weg zum Esplanadipark, in dem sich das wundere Kappelli, Cafè, Bar und Restaurant, befindet. Es ist früher Nachmittag und wir sind schon wieder ein bisschen hungrig. Zum Glück ist für uns gerade noch ein Ecktisch frei. Ich probiere die Korvapuusti, bei uns bekannt als Zimtschnecke und natürlich eine Caffè Latte dazu. Im Kaffeehausbereich des Kappelli, wo man Gäste aller Altersgruppen und Nationalitäten findet, gibt es heute außerdem, die finnische Spezialität Lohikeitto, für 15,90 €, eine cremige Lachssuppe mit Zwiebel und Kartoffel.
Fotos: Statue & das Kappelli im Esplanadipark, 28.10.2023.
Nach dieser Stärkung geht es ab ins Hotel, um ein bisschen im Internet zu recherchieren. Auf dem Weg dorthin schauen wir noch beim Olivia vorbei, um einen Tisch fürs Abendessen zu reservieren. Unser Abendessen um 19:45 bei Olivia, besteht aus Pizza und Wein. Die Speisekarte gibt es nur auf Italienisch und Finnisch. Deshalb entscheiden wir uns für Pizza. Diese schmeckt gut, nur kommt mir der Boden sehr dünn vor. Nach dem Essen, das uns wieder knapp über 50 € kostet, genehmigen wir uns, zum Tagesausklang, eine Dose einheimisches Bier, beziehungsweise Gin mit Mango. Dieses Getränk schmeckt mir hervorragend. Ich feue mich schon auf morgen, denn da fahren wir auf die Insel!
Tag 3
Die Blätter leuchten wie Gold und bilden, mit der Lichterkette von Stockmann, eine glitzernde, märchenhafte Atmosphäre. Es ist Sonntag und heute zeigt sich zum ersten Mal die Sonne. Nach unserem, etwas verspäteten Frühstück, machen wir uns auf den Weg zum Hafen, weil wir eigentlich mit der Fähre nach Suomenlinna fahren wollten. Das Licht des Herbstes wirkt hier besonders intensiv, nur leider habe ich die tiefstehende Sonne etwas unterschätzt. Aufgrund der Kälte entschied ich mich für meine Haube und gegen meine Kappe. Ohne Kappe hat das für mich leider, heute, keinen Sinn auf der Insel, weil mich die Sonne zu sehr blendet und ich dadurch fast blind bin. Stattdessen machen wir uns zu Fuß auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Den Zug nach Rovaniemi, der offiziellen Stadt des Weihnachtsmanns, nehmen wir aus Zeitgründen nicht.
Foto: Hauptbahnhof Helsinki, 29.10.2023.
Dafür kaufen wir zwei Tagestickets für die öffentlichen Verkehrsmittel. Es gibt Zone AB, sowie Zone ABC. Wir entscheiden uns für Zone ABC. Mit diesem Ticket können wir, sowohl mit der Straßenbahn, dem Bus, der Fähre auf die Insel, sowie mit dem Zug zum Flughafen fahren. Ein Ticket für zwei Tage kostet 16,50 € pro Person. Heute fahren wir mit der Straßenbahn zum Strand. Nach circa 10 Minuten mit der Straßenbahn und dann noch 10 Minuten zu Fuß, kann man super am Wasser entlang spazieren. Viele Leute kommen uns mit einem Hund entgegen und auch mit dem Fahrrad ist es hier schön zu fahren. Wir spazieren also eine halbe Stunde am Wasser entlang bevor wir uns wieder auf den Weg zurück ins Zentrum machen.
Foto: Wasserpromenade in der Nähe von Kesäranta, 29.10.2023.
Bevor wir zurück ins Hotel gehen, schauen wir noch bei der Temppeliaukio vorbei. Das ist eine Felsenkirche, in der man für acht Euro Eintritt, sitzen kann. Sehr erholsam und friedlich ist es hier. An einer Theke kann man verschiedene Sachen kaufen. Wirklich sehr felsig, von innen und von außen.
Fotos: Felsenkirche Temppeliaukio, 29.10.2023.
Nun aber machen wir uns wieder auf dem Weg ins Hotel. Auf dem Weg dorthin holen wir uns einen Kaffee beziehungsweise einen Smoothie im Espresso House.
Am Nachmittag spielt meine Assistentin ein bisschen auf ihre Querflöte, die sie mitgebracht hat. Ich schaue mir in der Zwischenzeit auf meinem iPad das SK-Sturmspiel an. Sonntagabend haben leider kaum Restaurants geöffnet. Direkt neben unserem Hotel ist zum Glück einen Mexikaner, der offen hat. Wir sind quasi die einzigen im ganzen Lokal. Meine Assistentin erzählt mir, dass sie eine Werbung für Damenunterwäsche auf einem Plakat gesehen hat, auf dem ein Model mit Bauchspeckfalten und ganz kurzen Haaren zu sehen war. Wir diskutieren, was das mit der Lebensqualität in einer moderenen Stadt zu tun hat. Der Burritoteller ist lecker und mit vollem Magen ziehen wir uns wieder zurück ins Hotel, um uns gut für den letzten anstehenden Tag auszuruhen.
Tag 4
Unser letzter Tag beginnt regnerisch. Die Halloweendekoration zeigt Fotos von Kleinkindern mit wahnsinnigen Augen und Skelette, die sich die Ohren zuhalten. Das Frühstück im Hotel ist umfangreich. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Trotzdem essen wir wieder Blaubeermüsli. Heute geht’s aber wirklich ab auf die Insel Suomenlinna. Wir nehmen die Fähre.
Foto: Kleine Insel auf dem Weg nach Suomenlinna, 30.10.2023.
Die Insel ist ein Stadtteil von Helsinki und wurde Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut, als Finnland noch ein Teil Schwedens war. Die Mauern ihrer Festung sind, wie man von oben sehen kann, als großer Stern konstruiert. Knappe 15 Minuten dauert die Fahrt dorthin. Wir spazieren im Graupelschauer durch die Festungsmauern und kaufen im Museum eine finnische Landkarte aus dem 18. Jahrhundert.
Fotos: Suomenlinna, 30.10.2023
Nach zwei Stunden auf der Insel fahren wir wieder zurück. Die Fähre geht alle 30 Minuten. Die Seemöwen begleiten uns auf der Rückfahrt und kreisen, schreiend, einen guten Meter über unseren Köpfen. Sie sind überhaupt nicht scheu und sogar ein bisschen aufdringlich😀. Der Senatsplatz zeigt sich in weiter Ferne und kommt näher und näher, bis die Fähre anlegt. Ein paar Saunagäste in Badekleidung beeilen sich, gleich neben der Anlegestelle, in das beheizte Schwimmbecken zu kommen. Dann begeben wir uns wieder ins Kappelli, auf Kaffee und Kuchen. Danach brauchen wir eine Apotheke, denn es schmerzt im Hals. Ich habe mich ziemlich verkühlt. Jeden Tag bei Nullgraden herumlaufen, muss man erst gewohnt werden, wenn man bedenkt, dass es bei uns zuhause in Österrreich, um ca. 15 Grad wärmer ist. Meine Assistentin suchte die Apotheca auf, welche sich jedoch nur in ihrer Fassade als Apotheke zeigt und in Wirklichkeit eine Galerie ist. Die richtige Apteekki befindet sich dann gleich in unserer Straße. Ich bin ziemlich platt. Deshalb stornieren wir auch unseren Tisch fürs Abendessen. Leider wird nichts aus meiner Lohikeitto. Stattdessen bestellen wir vom hoteleigenen Restaurant aufs Zimmer. Merkwürdige Speisen in Fingerfoodgröße kosten uns sage und schreibe 90 €. Na ja, dafür geht es mir ein bisschen besser und zum Ausklang des Tages genehmige ich mir noch eine Dose Gin Mango und eine selbstgedrehte Zigarette. Wir setzten uns in den Esplanadipark. Leichter Schneefall hat eingesetzt. Morgen geht es schon wieder zurück nach Österreich, obwohl ich eigentlich hierbleiben möchte.
Abreise
Der Wecker klingelt um fünf Uhr früh. Es ist Zeit aufzustehen und uns fertig zu machen, denn der Zug zum Flughafen fährt um kurz vor halb sieben. Vor dem Hauptbahnhofsgebäude bittet ein betrunkener Radfahrer meine Assistentin um ein Feuerzeug und bietet uns Marihuana an. Wir lehnen dankend ab und begeben uns zum Zug. Die vier Figuren direkt vor dem Hauptbahnhof, welche leuchtende Kugeln in den Händen halten, symbolisieren die vier Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde. Der Bahnhof zeichnet sich durch seine architektonische Vielfalt aus und ist eines von Helsinkis Wahrzeichen.
Fotos: Hauptbahnhof Helsinki, 31.10.2023 um 6:20.
Die Zugfahrt zum Flughafen dauert ca. 30 Minuten und vergeht wie im Flug. Während wir im Flughafengebäude auf unseren Rückflug warten, frühstücken wir direkt in nächster Nähe vom Gate einen Café Latte und eine Korvapuusti für mich. Vor dem Fenster wird ein Flugzeug getankt und Finnair wirbt mit Abfall als nachhaltigen Treibstoff. Meine Assistentin teilt der Frau beim Boarding mit, dass wir gemeinsam durch die Kontrolle gehen wollen, weil ich sehr schlecht sehe und höre. Die Behinderung eines Fluggastes sollte spätestens zwei Tage vor dem Flug bekannt gegeben werden, damit sich die Fluggesellschaft darauf einstellen kann. Wir dürfen ein bisschen vor den anderen einsteigen, damit mir in Ruhe erklärt werden kann, wie man die Schwimmweste, sowie die Sauerstoffmaske anlegt, falls es Probleme geben sollte. Ich denke mir nur, „Oh Gott, ich steige lieber wieder aus.“
Cityhunter94 in Kooperation mit Transmitter Performance und Unterstützung der Katharina Turnauer Stiftung.
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